/ R&D Leiter Alex Mayrhofer im Interview
/ nic.at News - 29.07.2019 10:03
R&D Leiter Alex Mayrhofer im Interview
Alexander Mayrhofer leitet bereits seit 2002 unsere Research & Development Abteilung - jenen Ort, wo zahlreiche innovative Forschungsprojekte, Ideen und Zahlen rund um nic.at ihren Urprung haben. Zudem ist er auch in der IETF (Internet Engineering Task Force) aktiv und als Speaker bei Veranstaltungen unterwegs, wo er nicht nur mit seinen Vorträgen, sondern immer auch mit seinen anschaulichen Illustrationen (s. unten) begeistert. Im Interview verrät er, an welchen Projekten er aktuell arbeitet, was uns in der Zukunft erwartet und wie man selbst innovativ bleibt.
Zunächst ganz allgemein: Was sind die Aufgaben der R&D Abteilung?
Unsere Tätigkeiten lassen sich im Grunde in drei Säulen unterteilen: Einerseits befassen wir uns mit der Entwicklung und der Verbesserung bestehender Produkte, wie unserer gTLD-Registry oder RcodeZero DNS. Die zweite Säule dreht sich um die Themen Community und Standardisierung: Auf internationaler Ebene gestalten wir bei CENTR mit, und arbeiten im Rahmen der Internet Engineering Task Force (IETF) an der Weiterentwicklung des Internet mit. Für die nationale Community veranstalten wir Events, etwa in Form der „DNSheads Vienna“ meetups. Unsere Dritte Säule betrifft die „Forschungsarbeit“ – also z.B. neue Erkenntnisse aus unseren Daten zu gewinnen, aber auch aktuelle Themen wie etwa Identity Management.
Unsere Aufgabe ist es, sehr komplexe Dinge so aufzubereiten, dass wir die Erkenntnisse daraus sinnvoll intern nutzen bzw. an unsere Registrare und Partner weitergeben können.
An welchen Projekten arbeitest du im Moment?
Derzeit beschäftige ich mich intensiv mit der sogenannten DNS Magnitude, eine Art Maßzahl für die Beliebtheit von Domains. Mithilfe eines speziellen Algorithmus wird dabei jede Domain auf einer Skala zwischen 0 und 10 eingeordnet – eine einfache Möglichkeit, zu beurteilen, wie intensiv eine Domain genutzt wird. In weiterer Folge kann das beispielweise auch für Upselling durch Registrare genutzt werden - eine populäre Domain sollte mit Produkten wie „Rcode Zero DNS“ natürlich entsprechend abgesichert werden. Schließlich wäre es z.B. bei einem gut besuchten Onlineshop für Kunde und Betreiber ärgerlich, wenn die Domain vorübergehend nicht aufrufbar wäre.
Ein zweites, großes Thema ist „verschlüsseltes DNS“: Fast jede Aktivität im Internet startet mit DNS-Abfragen und diese Informationen gehen dabei meist im Klartext durch das Netz. Mit „DNS over TLS“ und „DNS over HTTPS“ gibt es dabei gleich zwei neue Protokolle, die das ändern wollen. Vor allem DNS over HTTPS hat dabei aber das Potenzial, dass in Zukunft der Gutteil der DNS-Abfragen nur mehr von wenigen großen Betreiber beantwortet wird – eine Entwicklung, die von vielen zumindest mit Skepsis betrachtet wird.
Woher kommen die Ideen, die später zu Projekten werden?
Manche entstehen aus dem Tagesgeschäft oder einfach dann, wenn man etwas Zeit hat, um sich mit Neuem zu beschäftigen. Auch der Austausch mit Gleichgesinnten, die ähnliche Probleme lösen möchten, also Ideen aus der Community sind oft sehr inspirierend. Innovation bedeutet aber letztendlich auch nicht immer, etwas komplett Neues zu erfinden, meist werden bestehende Dinge einfach neu kombiniert. Ein Beispiel dafür ist unser Data Warehouse – wir beginnen jetzt damit, unsere internen Erkenntnisse neu zu kombinieren, und sie auch Registraren und der Öffentlichkeit anzubieten.
Wie viele dieser Ideen werden tatsächlich umgesetzt?
Da kann man das Konzept einer Innovationspyramide mit einem Faktor 10 heranziehen: Aus 3.000 Ideen werden 300 genauer untersuchte Themen, daraus 30 konkrete, größere Projekten, die dann in 3 völlig neue strategische Ausrichtungen für ein Unternehmen münden können. Es geht also viel um’s Ausprobieren und darum, Ideen auch wieder zu verwerfen, und wieder etwas anderes zu versuchen.
Was ist deine Motivation, „neugierig“ zu bleiben? Wie bleibt man innovativ?
Ich mag Dinge, die zunächst sehr komplex sind und ich sie so vereinfachen kann, dass sie sinnvoll genutzt werden können, und – das klingt jetzt kitschig - einfach „schön“ sind. Unsere Motivation ist, etwas Nützliches zu produzieren, das am Ende tatsächlich eingesetzt werden kann und zum Erfolg des Unternehmens beiträgt. Und innovativ, denke ich, bleibt man dann, wenn man sich täglich zigmal Fragen stellt wie „Kann ich das verbessern? Löse ich ein Problem? Was ist der Benefit – wie profitieren Nutzer, Registrare, unser Unternehmen?“
Ist die Gefahr nicht groß sich zu verzetteln?
Ein klares „Ja“. Man darf nicht zu viele Themen gleichzeitig anzugehen – die Verlockung ist natürlich groß, weil so viel neu und daher spannend ist. Innovation hat immer auch mit dem Risiko von „stranded work“ zu tun – mutig über den Tellerrand blicken, aber Ideen und Projekte auch wieder aufgeben können, wenn sie keinen Sinn stiften.
Kannst du für uns einen Blick in die Zukunft werfen?
Ich kann’s zumindest versuchen. Machine Learning wird bald auch im normalen Geschäftsbereich eine alltägliche Rolle spielen, auch wir nutzen es schon in unserer Prognose. Die Herausforderung wird dabei sein, Entscheidungen, die von Maschinen getroffen werden, als Mensch zu verantworten – wenn mir ein Algorithmus jemals untersagt, ein Zugticket zu kaufen, dann will ich eine sehr fundierte Begründung hören.
Außerdem wird Identity Management ein wichtiges Thema werden. Die Öffentlichkeit wird sensibler, was das Thema der Datensicherheit und Datensouveränität anbelangt – da wird sich in naher Zukunft sehr viel tun.
Grafik: Die Domain-Lagune
Legendär ist Alexanders Veranschaulichung der unendlichen Weiten des .at-Namespaces - und der Tatsache, dass die tatsächlich registrierte Anzahl von Domains kaum daran herankommt. Als "Insel der Seligen" die 1,3 Milllionen registrierten .at-Domains, die vom Atoll der gelöschten Domains und der Lagune der Whois- und EPP-Abfragen zu freien Domains gehören. Runderhum das DNS-Meer von 300 Millionen NX-Domains pro Monat. Das sind Domainnamen, die auf unseren DNS-Servern abgefragt werden, aber nicht existieren. Draußen auf hoher See lauern außer Meeresungeheuer noch Unmengen an noch nicht registrierten und nie abgefragten Domains. Man sieht also, dass das Potenzial an .at-Domains bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist.
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